"Die Würde des Menschen ist unantastbar"

Bei der Versorgung unserer Patienten stehen ihre individuellen Bedürfnisse im Mittelpunkt.

Die Klinik für Neurologie und Palliativmedizin führt regelmäßig Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen zu verschiedenen aktuellen Themen durch.

Veranstaltungsübersicht

Spannungskopfschmerzen

 

Symptome

Therapie

Medikamentöse Therapie

Nicht-medikamentöse Therapieformen

Unwirksame Therapieverfahren

 

Der Begriff ‚Spannungskopfschmerzen’ (im englischen ‚ Tension-type-headache’) fasst die Kopfschmerzformen zusammen, die in der früheren Literatur auch als ‚ Muskelkontraktions-Kopfschmerzen’, ‚psychomyogene Kopfschmerzen’ oder ‚Stress-Kopfschmerzen’ bezeichnet wurden. Generell erfolgt eine Einteilung nach Häufigkeit und Dauer seines Auftretens in einen episodischen und einen chronischen SKS: Tritt der Kopfschmerz an 15 Tagen pro Monat oder häufiger auf oder an mehr als 180 Tagen im Jahr, ohne dass ein Arzneimittelübergebrauch vorliegt, wird von einem chronischen SKS gesprochen. Der episodische SKS ist der häufigste Kopfschmerz überhaupt. Epidemiologische Studien berichten über eine Prävalenz des episodischen SKS in Europa von bis zu 74% in einer dänischen Studie und ca. 40% für die USA. Der chronische SKS ist dagegen wesentlich seltener und wird relativ einheitlich weltweit mit einer Prävalenz von 2-3% angegeben.

 

Klinische Symptome des Spannungskopfschmerzes

Der klassische Spannungskopfschmerz wird von Patienten als holokranieller dumpfer Kopfschmerz mittlerer Intensität beschrieben. Viele Patienten beschreiben jedoch auch ein ‚Bandgefühl‘ um den Kopf herum oder eine ‚Engegefühl‘ im Kopf. Viele Patienten sind zwar von diesen Kopfschmerzen beeinträchtigt, können ihre täglichen Angelegenheiten trotzdem wahrnehmen (im Gegensatz zu vielen Migräne- und Clusterkopfschmerzpatienten). In der Regel entwickelt sich der chronische SKS aus einem bereits bestehenden episodischen SKS, kann in Einzelfällen jedoch auch direkt entstehen.

 

Therapie des Spannungskopfschmerzes

In Ermangelung präziser pathophysiologischer Konzepte wird der episodische Spannungskopfschmerz traditionell mit einfachen Analgetika und NSARs behandelt. Trotz der Häufigkeit des Krankheitsbildes hat es systematische und vergleichende Untersuchungen zur Wirksamkeit einzelner Substanzen zunächst nur vereinzelt und verstärkt erst in der jüngeren Vergangenheit gegeben. Aus älteren, selten nach modernen Standards durchgeführten Studien kann abgeleitet werden, dass Acetylsalicylsäure und Paracetamol wirksamer sind als Placebo, sich in ihrer Wirksamkeit aber nicht unterscheiden. Auch Ibuprofen und Ketoprofen waren signifikant besser wirksam als Placebo, mindestens so wirksam wie, teilweise aber auch wirksamer als Acetylsalicylsäure oder Paracetamol. Weitere positive Studien liegen vor für Naproxen, intramuskuläres Ketorolac und Metamizol.

 

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Tab. Substanzen, die zur Behandlung des episodischen SKS eingesetzt werden können, Dosierung und Qualität der Studienlage

 

Substanz

Dosis

Qualität der Studienlage
/ Evidenz

Acetylsalicylsäure 500 - 1000 mg

ñ ñ

Paracetamol 500 - 1000 mg

ñ ñ

Ibuprofen 200 - 400 mg

ñ ñ

Ketoprofen 25 - 50 mg

ñ ñ

Metamizol 500 - 1000 mg

ñ

Naproxen 250 - 500 mg

ñ

Keterolac 60 mg

ñ

Cox – 2 – Inhibitoren

ñ

 

Medikamentöse Therapie

Der chronische Spannungskopfschmerz wird anders als der episodische Spannungskopfschmerz nicht mit der regelmäßigen Einnahme von Analgetika behandelt, da die Dauereinnahme von Analgetika neben typischen Nebenwirkungen auch zur Verschlechterung des Kopfschmerzes und/oder zur Entwicklung eines medikamenten-induzierten Dauerkopfschmerzes führen kann. Trotz einer eher geringen (und teilweise widersprüchlichen) wissenschaftlichen Datenlage hat sich die Gabe trizyklischer Antidepressiva (TCA) in der Behandlung chonischer SKS etabliert. In den vergangenen Jahren konnte jedoch zumindest die Wirksamkeit von Amitriptylin und Imipramin bestätigt werden. Ältere Studien berichten jedoch auch über eine signifikante Wirkung anderer TCAs wie Doxepin, Clomipramin oder Mianserin. Die Studien deuten daraufhin, dass mit einer ca. 30%igen Reduktion der Kopfschmerzausprägung gerechnet werden kann.

Der Wirkungsmechanismus der TCAs in der Behandlung des chronischen SKS ist weiterhin unklar, scheint jedoch unabhängig vom antidepressiven Effekt der Substanz zu sein. Dosierungen, die deutlich unterhalb der antidepressiven Dosis liegen (Amitriptylin: 10-75mg, antidepressive Wirkung zwischen 150-300mg), zeigen bereits eindeutige Effekte. Anders als zunächst erhofft, waren die neueren und besser verträglichen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Citalopram, Fluoxitine oder Paroxetin nicht wirksamer als Placebo. Auch die Kombination von Amitriptylin und Fluoxetin war nicht wirksamer als eine Monotherapie mit Amitriptylin in der Behandlung von chronischen täglichen Kopfschmerzen.

Uneinheitlich bleibt die Datenlage zur Verwendung des zentralen alpha-2-Agonisten Tizanidin. Während frühere Studien zunächst eine gute Wirksamkeit in der Behandlung des chronischen Spannungskopfschmerzen zeigten, die in einer finnischen Multicenter-Studie nicht bestätigt werden konnten, war Tizanidin nun wiederum in einer amerikanische Placebo-kontrollierte Studie an 85 Patienten signifikant wirksamer als Placebo.

Als Alternative zu einer rein systemisch medikamentösen Therapie berichteten Ende der Neunziger Jahre Fallmitteilungen und zwei kleine Studien über positive Effekte von Botulinum-Toxin Typ A-Injektionen in die perikranielle Muskulatur. Mehrere größere randomisierte placebo-kontrollierte Multicenterstudien konnten diese Berichte jedoch nicht bestätigen, so dass die Wirksamkeit von Botulinum-Toxin in der Therapie des chronischen Spannungskopfschmerzes (auch bei Unklarheit hinsichtlich eines möglichen Wirkmechanismus, Injektionsorten und Dosierungen) bezweifelt werden muss.

 

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Nicht-medikamentöse Therapieformen

Mehrere Studien konnten einen positiven Effekt von Ausdauersportprogrammen auf die Zahl der Kopfschmerztage pro Monate zeigen. Ausdauersportarten, wie Joggen, Schwimmen, Radfahren oder Nordic Walking können damit als nicht-medikamentöse Maßnahmen in der Therapie von Spannungskopfschmerzen empfohlen werden. Vergleichsweise viele Studien sind zu Muskelentspannungsverfahren mit und ohne EMG-Biofeedback durchgeführt worden. Auch wenn viele dieser Studien methodologische Probleme haben, konnte zumeist eine Reduktion von Schmerzintensität und Schmerzhäufigkeit zwischen 40-60% erreicht werden. Dabei zeigte sich, dass eine Kombination von Muskelentspannungsverfahren mit EMG-Biofeedback die besten Ergebnisse erbrachte.

Das inzwischen am weitesten verbreitete Verfahren, insbesondere aufgrund seiner leichten Erlernbarkeit und Anwendbarkeit, ist die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen (Jacobsen 1938). Die Patienten lernen dabei zunächst einzelne Muskelgruppen zu kontrahieren und wieder zu entspannen. Danach wird ferner erlernt, diese Übungen auch in stressreichen Situationen anzuwenden. Der Therapeut geht im Rahmen des Stressbewältigungstrainings mit dem Patienten den gesamten Tagesablauf durch, zeigt stresserzeugende Situationen auf und versucht gemeinsam mit dem Patienten spezifische Bewältigungsstrategien zu erarbeiten. In einer randomisierten dreiarmigen Studie, in der Stressbewältigungstraining mit der Gabe von trizyklischen Antidepressiva sowie der Kombination aus beiden Komponenten verglichen wurde, erzielte die Kombinationsbehandlung die besten Ergebnisse. Experimentelle fMRI-Studien, die die Aktivität anti-nozizeptiver Zentren im Hirnstamm (PAG) untersuchten scheinen die Beeinflussbarkeit des Schmerz-leitenden Systems durch nicht-medikamentöse Strategien dieser Art zu bestätigen.

 

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Unwirksame Therapieverfahren:

Andere nicht-medikamentöse Verfahren, die zum Teil weit verbreitet sind, wie Psychotherapie, haben sich entweder als unwirksam erwiesen oder sind unzureichend untersucht. Die nicht selten empfohlenen und insbesondere in Deutschland praktizierten ‚Einrenkmanöver’ an der Halswirbelsäule sind inzwischen ebenfalls durch eine kontrollierte Studie untersucht worden. Hier war ein klinischer Effekt von Wirbelsäulenmanipulationen nicht nachweisbar. Die Stimulation des N. okzipitalis, erwies sich in einer kontrollierten Studie ebenfalls als unwirksam.

Auch die Akupunktur muss inzwischen als unwirksam betrachtet werden. Kürzlich zeigten gleich drei randomisierte kontrollierte Studien (Akupunktur versus Scheinakupunktur), dass ein therapeutischer Effekt der Akupunktur unter kontrollierten Bedingungen bei der Behandlung von Spannungskopfschmerzen nicht nachzuweisen ist. Eine weitere wichtige Erkenntnis erbrachte die bisher größte Multicenter-Studie an 28 deutschen Zentren mit 270 Patienten, die als dreiarmige Studie die Wirkung von Akupunktur und minimaler Akupunktur im Vergleich zum Spontanverlauf bei Patienten mit chronischen Spannungskopfschmerzen untersuchte. Hier waren Akupunktur und Minimal-Akupunktur über einen Zeitraum von 12 Wochen zwar besser wirksam als keine Intervention, zwischen beiden Verfahren bestanden jedoch hinsichtlich der Wirksamkeit keinerlei Unterschiede, so dass der Effekt der Akupunktur offensichtlich nur auf einem unspezifischen nozizeptiven peripheren Reiz beruht. Ein Überblick zur Behandlung des chronischen SKS nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ist in Tab.6 zu finden.

Tab. 6. Substanzen und nicht-medikamentöse Verfahren die zur Behandlung des chronischen SKS eingesetzt werden können

Medikamentöse Therapie des chronischen Spannungskopfschmerzes 

Substanz oder Verfahren Dosis Qualität der Studienlage / Evidenz
Amitriptylin 10 - 75 mg

ñ ñ

Doxepin 10 - 100 mg

ñ

Clomipramin 25 - 150 mg ñ
Imipramin 30 - 75 mg ñ
Tizanidin 2 24 mg ñ
Valproinsäure 500 - 1500 mg   

ó

 

Nichtmedikamentöse Verfahren 

Substanz oder Verfahren Dosis Qualität der Studienlage / Evidenz
Ausdauersport 3 x Woche

ñ

Entspannungstherapie /
Stressbewältigungsverfahren
2-3 x Woche

ñ

Akupunktur Keine Unterschiede zwischen Akupunktur,
Scheinakupunktur und Minimal-Akupunktur

ó

Botulinum toxin Dosierung und Injektionsort nicht standardisiert Studien negativ
Manipulationen an der Wirbelsäule Studien negativ,
Verletzungsgefahr durch Ruptur der A. vertebralis und A. carotis (Boves et al. 1997)

 

 

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Seite zuletzt aktualisiert am 13.10.2017