Das klinische Bild
Das klinische Bild – was geschieht im Körper?
Die wichtigste Veränderung, welche beim Morbus Osler auftritt, ist ein Gefäßkurzschluss. Was bedeutet dies?
Normalerweise wird das Blut zentral vom Herzen kommend über Arterien in die Peripherie des Körpers gepumpt. Dort verjüngen sich die Arterien, bis aus ihnen Haargefäße (Kapillaren) geworden sind. Somit tritt das Blut in engen Kontakt mit dem umliegenden Gewebe und kann Stoffe austauschen. Gleichzeitig werden mögliche größere Bestandteile aus dem Blut gefiltert. Hinter den Haargefäßen sammelt sich das Blut wieder in den kaliberstärkeren Venen und gelangt von dort wieder zum Herzen.
Beim Morbus Osler treten an einigen Stellen direkte, dickere Verbindungen zwischen Arterien und Venen auf, die dünnen Haargefäße fehlen dort. Abbildung 2 zeigt, wie man sich diese Entwicklung vorstellt. Diese dickeren Verbindungen nennt man meist, wenn sie kleiner sind und im Bereich von Haut und Schleimhaut liegen, Teleangiektasien, wenn sie größer sind und sich im Bereich von inneren Organen befinden spricht man von vaskulären oder arteriovenösen Malformationen (VM oder AVM, Gefäßfehlbildungen). Abbildung 3 zeigt eine Teleangiektasie neben normalen Haargefäßen.
Abbildung 2
Modellvorstellung über die Entwicklung von Gefäßkurzschlüssen beim Morbus Osler. Die roten Strukturen stellen Arterien, die Blauen Venen dar. Mit zunehmender Zeit können an einigen Stellen die dazwischen liegenden Haargefäße (violett) verschwinden und Kurzschlüssen Platz machen. Näheres auch hier im Text. (aus: Geisthoff UW, Schneider G, Fischinger J, Plinkert PK: Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie (Morbus Osler). Eine interdisziplinäre Herausforderung. HNO 50:114-128, 2002)
Was hat das für Auswirkungen?
Zwei mögliche Folgen sind besonders wichtig:
- Die erweiterten Gefäße können bluten.
- Der Kurzschluss im Gefäßkreislauf kann dazu führen, dass Gerinnsel und Bakterien nicht mehr gefiltert und somit verschleppt werden, oder dass Blut „umsonst“ über den Kurzschluss gepumpt wird (ähnlich einem Kurzschluss in einem Stromkreislauf).
Abbildung 3
Ein Gefäßkurzschluss der Wangenschleimhaut (Teleangiektasie) in Form einer Schlaufe neben normalen Haargefäßen. (Aus: Geisthoff UW, Sittel C, Plinkert PK: Contactendoscopic findings in HHT. Head Neck 2005;28:56-63)
Seite zuletzt aktualisiert am 13.10.2017