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Multiple Sklerose (MS) - Therapie

Die Therapie der MS beruht grundsätzlich auf 4 Säulen:


Auf dieser Seite stellen wir Ihnen zudem zukünftige Entwicklung der MS-Therapie    sowie verschiedene Substanzen im Überblick    vor:

Die Akuttherapie und Schubbehandlung erfolgt heute mit hochdosierten Steroiden, wie Methylprednisolon (z.B. 1000 mg / Tag für 5 Tage). Bei fehlendem klinischen Ansprechen auf die Therapie kann auch eine Dosiseskalation mit 2000 mg / Tag für weitere 5 Tage erfolgen.
Bei Patienten, die auf eine Steroidtherapie gar nicht ansprechen, erfolgt der Versuch einer Plasmapherese für 5 Tage.

Die immunmodulatorische Dauertherapie erfolgt mit einem Interferon-beta-Präparat oder Glatirameracetat, einem Peptid, das einem der Myelinbausteine ähnelt. Durch die verbesserte Diagnostik und die aktuellen diagnostischen Kriterien kann mit der immunmodulatorischen Dauerbehandlung grundsätzlich bereits nach dem ersten klinischen Ereignis begonnen werden.

Klinische Studien an Patienten, die sofort nach dem ersten Ereignis auf ein immun- modulatorisches Präparat eingestellt wurden, zeigten auch eine signifikante Verlangsamung der Erkrankungsdynamik. Ob allerdings ein Patient sofort einer Dauerbehandlung zugeführt werden sollte, bleibt eine individuelle Entscheidung, da ca. 10-15% aller Fälle auch ohne Therapie über Jahrzehnte gutartig verlaufen.

Da aber zu Beginn der Erkrankung eine Prognose schwer ist, werden viele Patienten heute möglichst früh eingestellt. 

Abb. 3. Zusammenfassung der gegenwärtigen Therapiekonzepte zur Behandlung der Multiplen Sklerose

Abb. 3. Zusammenfassung der gegenwärtigen Therapiekonzepte zur Behandlung der Multiplen Sklerose

Bei Patienten mit einem sekundär chronische progredienten Verlauf stehen die Chemotherapeutika Mitoxantron und Cyclophosphamid, und für spezielle Fälle der monoklonale Antikörper Rituximab zur Verfügung. Abbildung 3 gibt einen Überblick über den gegenwärtigen Therapiealgorithmus.

 

Zukünftige Entwicklung der MS-Therapie im Überblick

Hinzu kommt eine stetig wachsende Gruppe von weiteren monoklonalen Antikörpern, die zum Teil schon in anderen Indikationen zugelassen sind, aber in der Behandlung von Autoimmunerkrankungen sehr spezifisch und zum Teil hoch wirksam erscheinen. Rituximab, ein murin-humaner monoklonaler Antikörper gegen B-Zellen (anti-CD20), ist seit fast 10 Jahren zur Therapie von Lymphomen zugelassen. Für die schwer verlaufende rheumatoide Arthritis ist Rituximab inzwischen ebenfalls zugelassen, für die Behandlung schwer verlaufender Fälle der chronischen Myasthenie gibt es inzwischen zahlreiche positive Fallberichte und erste kleinere Studien. Bei der Neuromyelitis optica, einer Sonderform der MS, hat sich dieser Antikörper bereits als sehr wirksam erwiesen (siehe unten). Zwei weitere komplett humanisierte monoklonale Antikörper gegen B-Zellen (anti-CD20), Ocrelizumab und Ofatumumab, werden im Rahmen von Phase-II-Studien in der Behandlung der schubförmigen MS getestet. Ferner werden monoklonale Antikörper gegen IL-2-Rezeptoren (Daclizumab) und IL-12-Rezeptoren (ABT-847) untersucht.

 

Abb. 4. Evolution der Therapie der Multiplen Sklerose

 

Abb. 4. Evolution der Therapie der Multiplen Sklerose

Alemtuzumab, ein monoklonaler Antikörper gegen CD52-Zellen, reduziert sowohl T-Zellen als auch B-Zellen, Monozyten und andere Zellen des Immunsystems. In ersten Phase-II-Studien war die Substanz ausgesprochen wirksam, zeigte jedoch auch ausgeprägte Nebenwirkungen. Inwieweit durch Reduktion der Dosis die therapeutische Breite erweitert werden kann, wird sich in den nächsten Jahren zeigen müssen.

VLA-4-Antisense, ein Wirkstoff mit einem neuen innovativen Wirkprinzip (siehe unten), das sich wie Natalizumab gegen Adhäsionsmoleküle richtet, zeigte sich in einer gerade beendeten Phase-II-Studie als hoch wirksam. Außerdem sind derzeit etwa 150 Kombinationsstudien unterwegs, so dass die nächsten Jahre zahlreiche neue Erkenntnisse zur medikamentösen MS-Therapie bringen werden. Abb. 4 zeigt die bisherige und die mögliche zukünftig Evolution der medikamentösen MS-Therapie im Überblick.

 

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Neue Substanzen im Detail:

 

Fingolimod (Gilenia®)

Fingolimod ist eine orale Substanz mit einem neuen Wirkmechanismus. Die Substanz bindet an Sphingosin-1-Phosphat-Rezeptoren (S1P-Rezeptoren), die u. a. auf dem lymphatischen Gewebe sitzen und die Freisetzung von aktivierten T-Lymphozyten regulieren und so eine deutliche Reduktion aktivierter T-Lymphozyten im peripheren Blut bewirken. Der S1P-Rezeptor-Modulator FTY 720 wurde ursprünglich zur vorbeugenden Behandlung von Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen entwickelt, wird aber momentan von Novartis in erster Linie in Richtung MS weiterentwickelt.
S1P-Rezeptoren existieren in fünf verschiedenen Formen und kommen im Gehirn, in peripheren Lymphknoten und anderen Organen vor. Nach neueren Studien befinden sich S1P-Rezeptoren offenbar auch auf Astroglia-Zellen im Gehirn. Hier ist ihre Funktion noch unklar. Neben der Lymphozytenmigration beeinflussen S1P-Rezeptoren zahlreiche andere Funktionen im Körper, was auch das Nebenwirkungsprofil prägt: So führt Fingolimod durch Wirkung an den S1P3-Rezeptoren atrialer Myozyten zu einer Reduktion der Herzfrequenz. Durch S1P-Rezeptoren in der Lunge kann sich ferner der Atemwegswiderstand verändern. In der Phase-II-Studie über 6 Monate ergab sich eine überzeugende, dosisabhängige Reduktion der Gadolinium-haltigen Herde um bis zu 62 %. Die hochgerechnete jährliche Schubrate konnte gegenüber Plazebo um bis zu 55 % reduziert werden. Diese Resultate sprachen für die Initiierung eines großen Phase-III Programmes.
In den Phase-III-Studien reduzierten Interferon-β-Präparate die Schubrate um ca. 30 %. Fingolimod wurde als einzige der neuen oralen Substanzen in einem komplizierten Studiendesign (Double-dummy-Design) über 12 Monate an 1292 Patienten direkt gegen ein Interferon getestet (TRANSFORMS-Studie). Diese Studie erlaubt damit erstmals einen direkten Wirksamkeitsvergleich.
Die TRANSFORMS-Studie beinhaltete drei Studienarme: jeweils 0,5 oder 1,25 mg/d Fingolimod oder Interferon-β1a einmal wöchentlich intramuskulär. Primärer Endpunkt war die Reduktion der Schubrate. Sekundäre Endpunkte waren der Anteil schubfreier Patienten, die Sicherheit und Verträglichkeit der Wirkstoffe und die mit MRT gemessene Krankheitsaktivität. Die jährliche Schubrate bei der geringeren Fingolimod-Dosis lag bei 0,16, unter Interferon-β1a bei 0,33, was einer signifikanten Reduktion um 52 % entspricht. Im Vergleich zwischen der höheren Fingolimod-Dosis (Schubrate 0,20) und Interferon-β1a ergab sich keine Signifikanz, auch nicht zwischen beiden Fingolimod-Dosen. Damit war erstmals ein orales Präparat in einer randomisierten Studie eindeutig wirksamer als ein zugelassenes Interferon-Präparat.
Die Fingolimod-Therapie zeigt ein sehr spezifisches Nebenwirkungsprofil: so ereigneten sich in der Gruppe mit höherer Dosierung zwei Todesfälle durch Herpes-Infektionen. Außerdem kam es in den Fingolimod-Gruppen zu jeweils acht Fällen von lokal begrenztem Hautkrebs und Makulaödemen (unter Interferon-β1a jeweils zu einem Fall). Die nun zugelassene niedrige Dosierung von 0,5mg erwieß sich in den Studien jedoch als gut verträglich mit einer niedrigen Nebenwirkungsrate. Eine Folgesubstanz mit einem spezifischeren SP-Rezeptorprofil ist bereits in Entwicklung (BAF).

 

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Übersicht Substanzen

Cladribin (Movectra®)

Dieses Nukleosid-Analogon ist schon seit Ende der Achtziger Jahre bekannt und wurde initial zur Behandlung von Lymphomen entwickelt und zugelassen. Kalifornische Studien aus den Neunziger Jahren an MS-Patientenkollektiven mit unterschiedlichen Verlaufsformen, mit Beobachtungszeiträumen über 12 bzw. 18 Monate, zeigten ebenfalls signifikante Reduktionen der T1-gewichteten, Gadolinium-anreichernden Läsionen zwischen 68 % und 92 %.
Die Ergebnisse der ersten Phase-III-Studie bestätigten diese früheren Daten: In der CLARITY-Studie (CLAdRIbine Tablets in treating MS orallY), einer randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie, wurde orales Cladribin vs. Placebo über einen Zeitraum von zwei Jahren bei insgesamt 1326 Patienten mit schubförmig verlaufender MS (RRMS nach McDonald-Kriterien; EDSS ≤ 5,5)getestet. Dabei wurde Cladribin in den totalen kumulativen Dosierungen von 5,25 und 3,5 mg/kg KG auf zwei der drei Studienarme verteilt. Im zweiten Behandlungsjahr erhielten alle Probanden aus den beiden Verumgruppen nur zwei Therapiekurse, die somit bereits nach zwei Wochen abgeschlossen waren.
Die jährliche Schubrate fiel unter hoher und niedriger Verumgabe auf 0,15 und 0,14 vs. 0,33 Schübe pro Jahr unter Plazebo. Dies entspricht einer relativen Senkung der Schubrate von 54,5 % bzw. 57,6 %. Schubfreiheit erreichten 78,9 % und 79,7 % der Patienten unter Cladribin vs. 60,9 % unter Plazebo. Für die beiden Verumgruppen wurde außerdem eine Minderung des Risikos, eine Behinderungsprogression zu erleiden, um 31 % und 33 % ermittelt. Als hochsignifikant erwies sich ferner die Reduktion der Krankheitsaktivität, gemessen an T1Gd+- und aktiven T2-Läsionen im MRT sowie an neuen kombinierten Läsionen. Die Häufigkeit unerwünschter Arzneimittelwirkungen war in allen Behandlungsarmen vergleichbar. Allerdings wurde unter Therapie mit Cladribin aufgrund des Wirkmechanismus erwartungsgemäß über eine erhöhte Rate an Lymphopenien berichtet. Beobachtungsbedürftig ist das Auftreten von 4 Malignomen in den Verumgruppen.
Die Substanz hat die für Patienten möglicherweise interessante Eigenschaft, dass sie nur phasenweise eingenommen werden muss: Es reicht, sie – wie in der Studie für das erste Jahr vorgesehen –nur zwei bzw. vier Wochen lang an jeweils 5 Tagen einzunehmen.

Fumarat (Fumarsäure, BG 12)

Fumarsäure hat mehr aus Zufall den Weg in die MS-Therapie gefunden. Die Intermediärsubstanz aus dem Citrat-Zyklus wurde von einem an Psoriasis leidenden Biochemiker zur topischen Therapie dieser Hautkrankheit weiterentwickelt. Inzwischen wurden über 20000 Psoriasispatienten mit Fumarat topisch oder systemisch behandelt. In einer Pilotstudie an 8 MS-Patienten ergaben sich Anhaltspunkte für eine Wirksamkeit auch in dieser Indikation. In einer 24-wöchigen vierarmigen Phase-II-Studie an mehr als 300 MS-Patienten bewirkten 480 mg Fumarat im Plazebovergleich eine Verminderung der Gadolinium-speichernden Herde um 69 %. Niedrigere Dosierungen von 120 oder 240 mg ergaben tendenzielle, aber keine signifikanten Reduktionen.
Aus der dermatologischen Anwendung sind die Nebenwirkungen von Fumarat gut bekannt. Die Substanz kann zu Beginn Durchfall, Kopfschmerzen und eine Flush-Symptomatik verursachen, ist aber sonst gut verträglich. Spätfolgen oder Langzeitfolgen sind bisher nicht bekannt. Mit der dosisabhängigen Reduktion der Gadolinium aufnehmenden Herde um die 70 % und ihrem gut berechenbaren Nebenwirkungsprofil könnte diese Substanz in Zukunft bedeutsam werden. Fumarat wird jetzt in zwei großen Phase-III-Studien, DEFINE und CONFIRM, weiterentwickelt.

 

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Übersicht Substanzen

 

Teriflunomid

Diese von Sanofi-Aventis zur Behandlung der MS entwickelte Substanz inhibiert die Pyrimidinsynthese von rasch proliferierenden Zellen durch Hemmung der Dihydroorotat-Dehydrogenase. Damit gehört sie zu der selben Substanzklasse wie Leflunomid, das bereits seit 10 Jahren zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis und seit 2004 zur Therapie der Psoriasisarthritis klinisch angewendet wird. Zu Leflunomid liegen umfangreiche Sicherheitsdaten vor. Ein ähnliches Sicherheits-und Verträglichkeitsprofil ist für Teriflunomid zu erwarten.
In der plazebokontrollierten Phase-II-Studie wurden 179 Patienten überwiegend mit schubförmiger MS über 36 Wochen mit 7 bzw. 14 mg/d Teriflunomid behandelt. Im primären Endpunkt, der Anzahl neuer aktiver Läsionen (T1Gd+-und T2-Läsionen, „combined unique active lesion“) ergab sich eine signifikante Reduktion um 70 – 80 % gegenüber Plazebo (Abb. 6.4). Wurden unter Plazebo durchschnittlich 2,68 solche Läsionen beobachtet, waren es unter 7 mg/d Teriflunomid 1,04 (p < 0,03) und unter 14 mg/d Teriflunomid 1,06 (p < 0,01). Sekundäre MRTEndpunkte wie die Zahl neuer T2-Läsionen oderaktiver, Gadolinium aufnehmender T1-Läsionen (T1Gd+) wurden durch beide Dosierungen von Teriflunomid ebenfalls signifikant reduziert. Bei der jährlichen Schubrate ergab sich eine Reduktion von 28 % (7 mg/d) bzw. 32 % gegenüber Plazebo (n.s.). Der Anteil der Patienten mit EDSS-Progression war unter der höheren Dosierung (14 mg/d) geringer als unter Plazebo (7,4 % vs. 21,3 %; p < 0,04).
In allen drei Therapiearmen (also einschließlich des Plazeboarms) wurden Neben-wirkungen berichtet. In den beiden Teriflunomid-Gruppen traten u. a. Nebenwirkungen wie Nausea, Parästhesien, Hautausschläge, eine moderate Leukopenie (Neutrophile, Lymphozyten) und ein Anstieg von Leberenzymen häufiger auf als in der Plazebogruppe.
In einer Extensionsstudie über 144 Wochen wurden die Patienten aus der Plazebogruppe auf Teriflunomid 7 oder 14 mg/d umgestellt. Beim primären Endpunkt „combined unique active lesion“ waren ein weiterer Rückgang unter fortgesetzter Teriflunomid-Therapie und ein beträchtlicher Rückgang nach Umstellung von Plazebo zu sehen. Die jährliche Schubrate sank unter 14 mg/d Teriflunomid auf 0,21. Die Sicherheitsanalyse ergab bis heute keine neuen Erkenntnisse gegenüber der plazebokontrollierten Phase.
Teriflunomid wird derzeit in einem großen klinischen Entwicklungsprogramm in der Monotherapie (immunmodulatorische Basistherapie) bei schubförmiger MS untersucht (TEMSO-, TOWER-Studie). Es wird außerdem bei Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom (TOPIC-Studie) sowie als Kombinationspartner von Glatirameracetat oder Interferon-β zur immunmodulatorische Basistherapie (Phase II) getestet. Auch hier werden in Kürze Ergebnisse erwartet.

Laquinimod

Laquinimod, ein immunmodulatorischer, aber nicht immunsuppressiver Wirkstoff , der eine tägliche orale Einmaldosierung erlaubt, erwies sich in Tiermodellen der MS wie auch in anderen Modellen chronisch entzündlicher Erkrankungen als effektiv. Laquinimod reduziert die Rekrutierung von Entzündungszellen in das ZNS und verschiebt die Reaktion MBP-spezifischer T-Zellen von einem mehr Th1- in ein mehr Th2/Th3-geprägtes Muster. Bei Mäusen mit MOG-induzierter experimenteller allergischer Enzephalitis reduzierte Laquinimod die Infiltration von CD45+-TZellen in die weiße und graue Hirnsubstanz und ebenso die Schwere des Krankheitsverlaufs.
Eine Phase-IIa-Studie an 209 Patienten mit MS ergab eine verringerte Entwicklung aktiver MRT Läsionen und ein günstiges Sicherheitsprofil. Daher wurde eine randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte Phase-IIb-Studie mit ca. 300 Patienten mit schubförmiger MS aufgelegt, um über 36 Wochen Therapie (plus 36 Wochen Extensionsphase) die Wirksamkeit und Sicherheit von 0,3 oder 0,6 mg/d Laquinimod zu untersuchen. Im primären Endpunkt, der kumulativen Anzahl von Gadolinium speichernden Läsionen, erwies sich die höhere Dosis, bezogen auf die Therapiewochen 24 – 36, als signifikant wirksamer (p < 0,0048) als Plazebo, die niedrigere Dosis erreichte keine Signifikanz. Auch beim sekundären Endpunkt, dem Anteil der Patienten mit neuem Schub in den Therapiewochen 12 – 36, war die höhere Dosis signifikant (p < 0,0001) effektiver als Plazebo, die niedrigere nicht. Weitere sekundäre MRT-Endpunkte wie das Volumen von T2-Läsionen und die Anzahl hypointenser Läsionen wurden von 0,6 mg/d Laquininimod ebenfalls signifikant positiv beeinflusst. Das günstige Sicherheitsprofil aus den Phase-I/II-Studien bestätigte sich auch in dieser Studie.

 

Firategrast

Firategrast ist der erste orale Integrin-Antagonist und wirkt damit ähnlich wie Natalizumab gegen Adhäsionsmoleküle auf Lymphozyten und an der Gefäßinnenseite. Firategrast wird gemeinsam von GSK und Mitsubishi-Tanabe entwickelt. In einer ersten Phase-IIa-Studie hatte Firategrast ebenfalls zu einer signifikanten Reduktion der Gadolinium-aufnehmenden Herde geführt. Die Substanz wird derzeit in einer Phase-IIb-Studie (TIME-Studie) an einer größeren Patientengruppe evaluiert und ist in der Entwicklung nicht ganz so weit wie die zuvor besprochenen Substanzen.

 

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Übersicht Substanzen

 

Rituximab (Mabthera®, Rituxan)

Der murin-humane monoklonale Antikörper gegen CD20 wird derzeit zur Therapie follikulärer Lymphome im Stadium 3 – 4 eingesetzt, initial meist in Verbindung mit einer Chemotherapie und danach als Rituximab-Erhaltungstherapie. Bei den inflammatorischen Mechanismen zu Beginn einer MS spielen nicht nur T-, sondern möglicherweise auch B-Lymphozyten eine wichtige Rolle. Bisher war nur von einer möglichen Funktion im späteren Verlauf der Erkrankung ausgegangen worden. Da Rituximab auch bei anderen autoimmunologischen Erkrankungen eine hohe klinische Wirksamkeit zeigte, lag es nahe, diesen Antikörper auch bei MS zu testen. In ersten Fallberichten wurden zunächst 8 Patienten mit Neuromyelitis optica mit Rituximab behandelt (Abb. 6.5). Nach Gabe von Rituximab reduzierte sich die Aktivität der Erkrankung drastisch.
Die Ergebnisse der anschließenden ersten Phase-II-Studie an 104 Patienten mit schubförmiger MS zeigten eine signifikante Wirksamkeit und machten deutlich, dass B-Zellen auch zum Erkrankungsbeginn und beim schubförmigen Verlauf der MS eine wichtige Rolle spielen. In der plazebokontrollierten Studie erhielten die Patienten zwei Rituximab-Infusionen zu jeweils 1 g innerhalb von 2 Wochen. Die Reduktion der Gadolinium aufnehmenden Herde um 91 % nach 24 Wochen und der Schubrate um 58 % fiel unerwartet hoch aus. Dieses Ergebnis reicht zwar nicht ganz an das von Natalizumab heran, kann sich aber – bei aller Vorsicht – mit den gegenwärtig benutzten Immunmodulatoren sehr gut messen. Rituximab kann allerdings bei der Erstapplikation zu ausgeprägten allergischen Reaktionen führen. Die ersten Gaben sollten daher nur von erfahrenden Behandlern unter stationären Bedingungen vorgenommen werden.

Alemtuzumab (Campath-1H)

Ein monoklonaler Antikörper, der nicht nur B-, sondern auch T-Lymphozyten, Monozyten und eosinophile Granulozyten reduziert, ist der humanisierte monoklonale Anti-CD52-Antikörper Alemtuzumab. Er ist seit 2001 zur Behandlung der chronisch-lymphatischen B-Zell-Leukämie zugelassen. In einer Pilotstudie an Patienten mit sekundär chronischer MS (n = 36, mittlere Erkrankungsdauer 11,2 Jahre, mittlerer EDSS 5,8) und schubförmiger MS (n = 22, mittlere Erkrankungsdauer 2,7 Jahre, mittlerer EDSS 4,8, mittlere Schubrate 2,21) zeigte sich bereits an Tag 2 der Substanzgabe ein drastischer Abfall von CD4+-, CD8+- und B-Zellen. Die Schubaktivität nach Alemtuzumab-Gabe reduzierte sich drastisch um 94 % (von 2,21 auf 0,14 Schübe pro Jahr) bei schubförmiger und um 97 % (von 0,7 auf 0,02) bei sekundär chronischer MS. Die hohe Wirksamkeit zeigte sich auch am EDSS, der sich vor allem bei den Patienten mit schubförmigem Verlauf deutlich besserte. Die Wirksamkeit von Alemtuzumab ist damit sehr beeindruckend, doch der Antikörper ist in den derzeit verwendeten Dosierungen nicht unproblematisch (siehe unten) und seine Anwendung mit vielen Vorsichtsmaßnahmen verbunden. So erfolgt die Behandlung, auch von Lymphompatienten, mit Alemtuzumab immer unter Antibiotika- und Virostatika-Schutz.
Auf die Pilotstudie folgte die CAMMS223-Studie mit dreiarmigem Design und einer Dauer von 2 Jahren. Hier wurden zwei Dosierungen von Alemtuzumab (initial 5 × 24 mg oder 5 × 12 mg) gegen Interferon-β1a (Rebif 44, 3 × 44 μg pro Woche) ohne Plazeboarm verglichen. Die jährliche Schubrate unter Interferon-β1a lag bei 0,35, unter Alemtuzumab bei 0,11 bzw. 0,05 (niedrige bzw. hohe Dosis). Der EDSS unter Interferon-β1a stieg im Laufe der 2 Jahre um etwa 0,2 Punkte im Median an, der EDSS unter Alemtuzumab dagegen fiel um etwa 0,35 bzw. 0,55 EDSS-Punkte im Median. Interferon-β1a erzielte in dieser Studie ein ähnliches Ergebnis wie in seinen Zulassungsstudien (PRISMS2- und PRISMS4-Studie), während die Reduktion der Schubrate und der EDSS unter Alemtuzumab zuvor nie gesehene Werte erreichte. In der CAMMS223-Studie erkrankten allerdings 6 der 223 Patienten der Alemtuzumab-Gruppen an einer idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (ITP) und mussten entsprechend behandelt werden. Ein Patient verstarb an den Komplikationen der ITP. Alemtuzumab wird derzeit in zwei großen Phase-III-Studien (MS-CARE I und II) weiterentwickelt.

 

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Daclizumab

Daclizumab, ein monoklonaler Antikörper gegen Interleukin-2-Rezeptoren, wurde zunächst gegen Abstoßungsreaktionen nach Transplantationen entwickelt und bei MS-Patienten evaluiert, die auf Interferon-β1b nicht mehr angesprochen haben. Die MRT Daten zeigten eine signifikante Reduktion z. B. neuer bzw. insgesamt vorhandener Läsionen, so dass auch hier eine Weiterentwicklung der Substanz beschlossen wurde. Eine umfangreiches Phase-III- Programm (SELECT, Selection) untersucht die Substanz weiter.

 

VLA-4-Antisense (ATL 1102)

In der Reihe der hier vorgestellten Wirkstoffe und -prinzipien ist VLA4-Antisense ein völlig neues Wirkprinzip, mit dessen Zulassung nicht vor 2013/2014 zu rechnen ist. Antisense ist eine intelligente Art, in die Funktion der mRNA einzugreifen. Jedes Peptid oder Protein, das exprimiert werden soll, muss zunächst von der DNA abgelesen und in eine mRNA übersetzt werden. Die mRNA bringt diese Information dann zum Ribosom, wo die Translation stattfindet bzw. die einzelnen Aminosäuren zu dem gewünschten Peptid oder Protein zusammengeführt werden.
Das Wirkprinzip von Antisense besteht darin, die mRNA zu blockieren und die Translation zu verhindern. Dafür wird ein entsprechendes Gegenstück benötigt, das die abzulesende mRNA-Sequenz mit komplementären Basen widerspiegelt. Diese Antisense-mRNA deckt die Information der Sequenz ab und verhindert so, dass die mRNA am Ribosom abgelesen werden kann.
Bei VLA-4-Antisense mit ATL 1102 handelt es sich um die Basensequenz, die verhindert, dass die mRNA der α4-Komponente für den VLA-4-Rezeptor (an dem Natalizumab wirkt, indem es ihn blockiert) abgelesen wird. Die α4-Komponente fehlt dann bei der Synthese des VLA-4-Rezeptors (der aus mehreren Bestandteilen besteht), so dass kein funktionstüchtiger Rezeptor entsteht. Statt den Rezeptor mit einem Antikörper zu blockieren, wird mit Antisense seine Entstehung und dessen Expression an der Zelloberfläche verhindert. Im Gegensatz zu den monoklonalen Antikörpern, die als Proteine neutralisierende Antikörper induzieren können, handelt es sich bei den zum Antisense benötigten komplementären mRNA-Sequenzen nur um kleine Moleküle, die solche Antikörper nicht induzieren können.
In der ersten Phase-IIa-Proof-of-Concept-Studie mit VLA-4-Antisense erhielten 80 Patienten mit MS die Substanz zweimal pro Woche s. c. injiziert. Die Ergebnisse zeigen auch hier bereits nach einer Therapie von nur 8 Wochen eine signifikante Reduktion der Gadolinium aufnehmenden Herde (66,7 %).

 

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Seite zuletzt aktualisiert am 13.10.2017